oek EisvogelAuf den Wellen der Weser tanzt eine Flasche. Beim Näherkommen bemerke ich, dass in ihr ein zusammengerollter Zettel steckt. Eine Flaschenpost! Ich bin etwas unschlüssig, ob ich sie meinen Töchtern bringen soll. Schließlich kommen sie mit dem Beantworten der vielen Flaschenbotschaften gar nicht recht hinterher. Oft sind es richtig liebevolle Briefe, die von jungen Müttern oder Erziehern mit ihren Kleinkindern, von Grundschulkindern oder jungen Teenagern geschrieben werden. Sie tun dies in Erwartung eines Finders, der Ihnen zurückschreibt, so dass uns unser schlechtes Gewissen plagt, wenn sie unbeantwortet bei uns rumliegen.

Diese Post-Flaschen sind aber nur der geringste Teil der Flaschen, die in der Weser schwimmen, oder gar des Mülls insgesamt, der aus Gedankenlosigkeit über Bord in den Fluss geworfen oder von der Weser bei Hochwasser von den Ufern gespült wird. Norbert, unser Bootshauswart, hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass an bestimmten Stellen der Weser der Müll sich besonders zahlreich sammelt. Daraufhin bin ich Ende November an einem Samstag bei Hochwasser losgepaddelt und habe tatsächlich hinter Kelloggs so eine Stelle gefunden: weil das Ufer hinter der Spundwand hier eine kleine Bucht bildet, die mit Weiden und Brombeeren bestanden ist, bildet sich ein kleines Kehrwasser. Mit dem kleinen Strudel kommt der Müll näher ans Ufer und bleibt bei ablaufendem Wasser in den Zweigen der Büsche hängen oder klemmt sich zwischen den Steinen der Böschung ein. Hier war so viel Müll, dass allein die Pfandflaschen reichten, um einen ganzes Boot vom Typ Taifun damit zu befüllen.oek basstoelpelBasstölpel auf Helgoland (Foto: Engelberger, CC-by-3.0, Wikimedia Commons)

Am gleichen Tag habe ich auf der Rückfahrt zum Verein gut sehen können, was eine der Ursachen der Vermüllung ist. Inzwischen war nämlich die Promenade zwischen Schlachte und Osterdeich geflutet worden, wo die Reste des Flohmarktes wegschwammen, darunter auch große Gegenstände, während die Müllabfuhr warten musste, bis das Wasser wieder sinken würde. Während ich zwischen der Metallskulptur, den gefluteten Mülleimern und den Sitzbänken auf den Weserwiesen zurückpaddelte, überlegte ich mir, wohin der Müll wohl letztlich treiben würde: Mit der Tide immer einen halben Tag flussabwärts, einen halben Tag flussaufwärts, eine halbe Nacht flussabwärts, eine halbe Nacht flussaufwärts. Auch auf der Unterweser müsste es solche Anhäufungen von Plastikmüll geben. Ich hatte bisher bloß nie danach geschaut.

Irgendwann würde der Müll aber, wenn er nicht zwischendurch hängenbliebe, in der Nordsee landen. Vorbei an Helgoland, wo die Basstölpel sich an der Steilküste Nester aus alten Fischernetzen bauen. Wer genau mit dem Fernglas schaut, kann sehen, dass einige dieser Albatros-ähnlichen großen Seevögel, die sich nach Fischen aus großer Höhe ins Wasser stürzen, schon in den Netzen hängengeblieben und gestorben sind. Insgesamt sollen jährlich 20.000 Tonnen Plastikmüll in die Nordsee gelangen. Zum Teil sinkt das Plastik an den Meeresgrund, wo in der Nordsee 600.000 Kubikmeter Plastik liegen sollen.

Zum Teil treibt der Müll jedoch auch weiter und sammelt sich irgendwann in den großen Wirbeln der Meeresströmung, wo der Abfall zum Teil so konzentriert wird, dass von "Müllstrudeln" die Rede ist. Dort zersetzt sich das Plastik unter Einfluss der UV-Strahlung und der mechanischen Reibung irgendwann zu winzigen Partikeln, die von Tieren oder Plankton aufgenommen werden. Die Kunststoffe oder ihre chemischen Bestandteile sind so langlebig, dass sie teilweise über die Nahrungskette in den Organismen angereichert werden und in vielen Fällen auch wieder im menschlichen Körper nachgewiesen werden konnten.

Es ist ein bisschen so wie mit der Flaschenpost: der Müll wird weggeworfen auf ungewisse Reise, aber über verschlungene Pfaden und mit einer gewissen Verzögerung kommt am Ende oft eben doch wieder etwas zurück.